Für die Stubete am See 2012, das Festival für Neue Schweizer Volksmusik in Zürich, wurde an Corin der Grosse Kompositionsauftrag vergeben. Daraus entstanden ist das Projekt Suisse Miniature.
Gemeinsam mit der Gruppe Pflanzplätz (mit Simon Dettwyler, Thomas Aeschbacher und Jürg Nietlispach), sowie Patricia Draeger, Albin Brun und Claudio Strebel vom Ensemble LA GRISCHA und Andreas Gabriel von den Helvetic Fiddlers wurden Bündner Volklieder in 3 Sprachen bearbeitet: Walserlieder aus dem Prättigau, Davos und Arosa, Chanzuns und Canzuns in 4 verschiedenen Romanischen Idiomen sowie Canzoni Popolari dei Valli Grigionesi.
Wer in Graubünden aufgewachsen ist, bekommt früh die Chance „das sprachlich Andersartige“ als verwandt oder dazugehörig zu begreifen. In der Bündner Familie gibt es immer auch die anderssprachigen Familienmitglieder, seien es Romanen mit einem anderen „Dialekt“, oder Walser oder eben italienische Bündner - genauso kenne ich es aus meiner Kindheit. Natürlich gab es auch die indische Tante Butul im Sari, den Onkel aus Zürich und die französischsprachigen Cousinen, aber darum geht es heute nicht: es geht um „Suisse Miniature“ die Dreisprachigkeit in GR und deshalb um Volkslieder in italiano, walsertütsch und rumantsch.
Die Idee zum Projekt „Suisse Miniature“ hat ihren Ursprung in der Arena in Cazis/ Domleschg. Unter dem Titel CONVIVENZA fand 2010 ein öffentlicher Anlass statt, zu welchem die drei Sprachorganisationen Graubündens: Pro Grigioni Italiano, Walservereinigung und die Lia Rumantscha eingeladen hatten. Bei Gesprächen, Diskussionsrunden, Vorträgen sowie Konzerten und Festwirtschaft wurde die kulturelle Vielfalt und Vielsprachigkeit Graubündens gemeinsam dreisprachig diskutiert, hinterfragt und gefeiert.
Ich wurde eingeladen mit Max Lässers Überlandorchester ein Konzert zu gestalten und entschied mich für Eigenkompositionen, Vertonungen von Poesien und je einem Volkslied in den drei Sprachen Graubündens: Rumantsch, Churer & Walser-Dialekt sowie Italienisch.
Als nun Florian Walser mich zur Stubete am See 2012 einlud, war mir schnell klar: den Convivenza Faden möchte ich weiterspinnen und mit einigen spannenden, innovativen Musikern aus der neuen Schweizer Volksmusikszene Bündner Volklieder in 3 Sprachen bearbeiten: Walserlieder aus dem Prättigau, Davos und Arosa, Chanzuns und Canzuns in 4 verschiedenen Romanischen Idiomen sowie Canzoni Popolari dei Valli Grigionesi.
Auf meiner Wunschliste standen ganz oben die Gruppe Pflanzplätz mit Simon Dettwyler, Thomas Aeschbacher und Jürg Nietlispach, sowie Patricia Draeger, Albin Brun und Claudio Strebel (Ensemble LA GRISCHA). Auch Geigenklang habe ich mir vorgestellt und glücklicherweise hatte Andreas Gabriel Zeit!
Teil meiner Grundidee war es, mit Pflanzplätz (welche schon lange eine starke Affinität zu den Walsergebieten in Graubünden haben) und mit Andy Gabriel die Lieder der Walser musizierend und „ab Ohr“ neu zu erschaffen; mit Patricia, Albin und Claudio haben wir die Arrangements von schönen und bekannten romanischen Volkweisen einstudiert. Die Canzoni Dei Valli Grigionesi entstanden gemeinsam.
Wir spielen vom Quartett bis zum Oktett in diversen Kombinationen!
Die Mischung der Liedstile, die Durchmischung der Klangfarben, das Sprachgemisch und gegenseitige Mitmischen:
no sperain cha la masdira grischuna as plascha: „suisse miniature“
speriamo che la mistura grigionese vi piace: „suisse miniature“
wiar hoffa, dass nich das Bündner Gmisch gfallt: „suisse miniature“
wir hoffen, Ihnen gefalle die Bündner mélange: „suisse miniature“
von Corin
Graubünden ist durch seine Lage als Alpengebirgsland und wegen seinen Transit-Verbindungen gewissermassen ein Völkertiegel. Italienisches, Romanisches (in 5 Idiomen) und allemannisches Erbe verschiedener Ethnien haben ihre Spuren hinterlassen, so auch in der Folklore (Weisheit des Volkes). Der Kontakt innerhalb der einzelnen Sprachgruppen war eher gering, so dass wenig kultureller Austausch stattgefunden hat. Durch die komplexe geographische Gliederung in den Gebirgstälern war der Kontakt zwischen den einzelnen Sprachgruppen sogar marginal. Das politische Zusammen-wirken aber entsprach einem gemeinsamen Willen und der Bekenntnis zur Republik der 3 Bünde und wurde über Jahrhunderte praktiziert. Dennoch begann die Aufarbeitung der Volksliteratur, der Mythologie und des Volkliedes bereits in der Romantik. Einzelnen Forschern und Sammlern kommt das Verdienst zu, ihre Forschung in Publikationen veröffentlicht zu haben, und sie schufen damit die Grundlage zu deren Verbreitung.
Erst im 20 Jahrhundert, gab es die Bestrebungen überregionaler Kulturaktivität, vorwiegend gefördert durch die Organisationen der sprachlichen Minderheiten: Lia Rumantscha, Walservereinigung und die Pro Grigioni Italiano, um nur die Wichtigsten zu nennen.
Wie allerorten (in Mitteleuropa) wurde Mythologisches, sowie auch die Volkslieder in Graubünden durch den Historismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vereinnahmt und zur Förderung des Schweizerischen Bundesstaates instrumentiert. Das Chorwesen wurde allerorten gegründet. Das Trachtenwesen, sowie die Volksmusik und der Volkstanz wurden analog zu anderem „nationalem“ Kulturgut „erfunden“ und lokale Volkslieder im Schweizerischen Liedgut gesammelt und mit Noten versehen. Ludwig Tobler, der selber Lieder sammelte, bedauerte um 1900 den Schulgesang, wo die frei und freudig singenden Kinder zu artigem Chorgesang erzogen wurden, wo sie jede Note unverändert hatten wiedergeben müssen und dabei die Freude an ihrem Naturgesang verloren.
In Graubünden wurde vor allem romanisches Liedgut profaner und sakraler Gattung gesammelt, die vielleicht bedeutendste Sammlung romanischer Lieder findet sich im Maissen Archiv. Die Lieder, die in den italienischsprachigen Tälern gesungen wurden, deckten sich hauptsächlich mit dem italienischen Liedgut der Lombardei. Das deutschsprachige Volkslied wurde in Graubünden handschriftlich an verschiedenen Orten gesammelt, jedoch nicht in Buchform editiert. Einzelne Lieder, vor allem im Walser-Dialekt fanden Eingang in die Sammlungen Schweizerischer Volkslieder von Ernst Ludwig Rochholz, Ludwig Tobler, Otto von Greyerz und Hanns Indergand.
SängerInnen und MusikerInnen „meiner Generation“ haben sich in den letzten Jahrzehnten mit neuer Motivation dem regionalen Volkslied sowie der Volksmusik aus den Alpen angenommen. Zahlreiche Perlen von Volksliedern Graubündens, haben wir aus ihren ideologischen Banden befreit, um sie angereichert mit dem „musikalischen Geschmack der Zeit“ frisch arrangiert in Musikantenart zu tradieren.